Reale Ängste, zaghafte Politik: Ist Enteignung der richtige Weg?
Deutschlandweit wird protestiert. Gegen hohe Mieten und gegen Wohnungskonzerne. Diese Proteste zeigen: Die Menschen haben Angst, dass sie sich ihre Wohnung nicht mehr leisten können, dass ihr Geld für die Miete draufgeht und sie etwa bei der Ausbildung ihrer Kinder sparen müssen oder ihnen Altersarmut droht.
Enteignung wäre ein fatales Signal – und teuer
Der Ruf nach Enteignung, der bei den Demonstrationen erschallt, ist jedoch grundfalsch und sendet ein fatales Signal – auch wenn das für den einen oder anderen im ersten Moment nachvollziehbar scheint. Natürlich wird es von vielen Mietern als ungerecht empfunden, wenn von den Erträgen der Wohnungsunternehmen ein großer Teil an die Aktionäre geht. Doch die Schuld für die steigenden Mieten rein auf diese Konzerne zu schieben, greift deutlich zu kurz. Es waren die Länder und Kommunen, die vor Jahren ihre Wohnungsbestände an private Unternehmen und Fonds verkauften, um kurzfristig ihre Schulden zu tilgen.
Subjekt- statt Objektförderung
Enteignungen sind jedoch nicht nur der falsche, sondern auch ein extrem teurer Weg, der mit Steuergeldern finanziert würde – und zudem keinen neuen Wohnraum schafft, sondern lediglich bestehende Mietverhältnisse konserviert. Übrigens auch jene von durchaus wohlhabenden Mietern. Nicht profitieren würden Zuzügler. Die Frage, wem eigentlich welche Maßnahme nützt, sollte man ohnehin viel kritischer bei der ganzen Thematik nach Wohnraum stellen – so zum Beispiel auch bei der Mietpreisbremse. Bei einem Wohnungsmangel sind in erster Linie die gut verdienenden Mietsuchenden die Nutznießer, denn sie erhalten in der Regel den Zuschlag vom Vermieter. Geringverdiener haben hier oft das Nachsehen. Wirklich sinnvoll wäre deshalb eine Subjektförderung für bedürftige Mieter oder Berufsgruppen, die sich eine Wohnung in der Großstadt einfach nicht mehr leisten können, aber dennoch darauf angewiesen sind: Krankenschwestern, Pfleger, Polizisten etc.
Lösungen müssen her
Zumindest jedoch haben Forderungen wie die jüngste nach Enteignung eine Diskussion in Gang gebracht, an deren Ende tatsächlich mehr bezahlbarer Wohnraum stehen könnte. Bauen, bauen, bauen, wie es Innenminister Horst Seehofer gerne wiederholt, ist da nur eine Lösung unter vielen. Dafür müssten allerdings schnell die Rahmenbedingungen geschaffen werden für ein investorenfreundliches Klima. Denn ohne Geldgeber, die Wohnraum errichten, wird es nicht gehen: Der Staat selbst ist seit jeher ein schlechter Bauherr, wie man am Berliner Flughafen sehen kann …
Bei der Ausweisung von mehr Bauland oder bei der Umsetzung von Erleichterungen im Baurecht hat die Politik leider keine Eile. Ebenso wenig bei der Entlastung von privaten Käufern, etwa durch die Freistellung des Ersterwerbs von der Grunderwerbsteuer. Hier ist viel Potenzial. Denn dadurch könnte so mancher Mieter zum Eigentümer werden – und genau das wäre ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung: die im europäischen Vergleich niedrige Eigentümerquote in Deutschland zu erhöhen. Ein weiterer Ansatzpunkt wäre, die Modernisierung von Wohnungen anders zu fördern. Denn gerade die Modernisierungsumlage wird für viele Mieterhöhungen verantwortlich gemacht.
Im Grundgesetz steht: Eigentum verpflichtet. Doch da steht auch: Eigentum ist geschützt. Bleibt zu hoffen, dass die Diskussion um bezahlbaren Wohnraum die Politiker ins Handeln bringt – und zwar ins umsichtige Handeln mit Blick auf den sozialen Frieden.