Der Münchner Immobilienmarkt – Ein Statement von dem Immobilienprofi Thomas Aigner
Es ist weithin bekannt, dass München viel zu bieten hat. Zwei Dinge jedoch finden sich nicht in der bayerischen Landeshauptstadt: 1.) ausreichend Wohnraum und 2.) große Überraschungen bei den Immobilienpreisen. Ungeachtet aller Krisen steigen die Preise Jahr um Jahr und erreichen neue Rekordwerte, der Nachfrageüberhang verschärft sich zunehmend. München ist deutschlandweit die teuerste Großstadt mit hohen sechs- und teilweise siebenstelligen Kaufpreisen und dem geringsten marktaktiven Wohnungsleerstand. Immer deutlicher tritt jetzt die Konsequenz zutage, wenn die Anziehungskraft einer Stadt bzw. einer Region auf eine jahrzehntelang verfehlte Baupolitik trifft.
Die Menschen zieht es nach München, weil die Wirtschaftskraft stark und es zudem attraktiv ist, in der Nähe der Berge und der bekannten Urlaubsziele zu leben. Was seit über zehn Jahren verschärfend hinzukommt, ist die zusätzliche Nachfrage nach Sachwerten. Die Finanz- und Wirtschaftskrise 2009, die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank, die seit 2016 den Leitzins auf historisch niedrigem Niveau belässt – auch angesichts hoher Inflation und wirtschaftlicher Gefahren durch den Ukrainekrieg – und damit die klassischen Sparprodukte wie Anleihen und Bankanlagen faktisch wertlos gemacht hat: Das alles führt dazu, dass Investoren und Privatanleger ihr Vermögen in die weniger inflationsanfälligen Anlagemöglichkeiten wie Immobilien stecken.
Die dadurch immer weiter steigende Nachfrage kann aufgrund von fehlendem Platz nicht komplett gedeckt werden. Trotz einer zuletzt erhöhten Zahl an Baugenehmigungen in München wird der neu gebaute Wohnraum in Zukunft nicht ausreichen. Zum einen gibt es eine flächendeckende Auslastung der Baubetriebe, zum andere dürften die steigenden Baukosten das Vorhaben ausbremsen: Schon im vergangenen Jahr sind die Baupreise aufgrund gestiegener Materialkosten – vor allem bei Holz und Stahl – um sechs Prozent gestiegen. Das war der stärkste Anstieg seit über 20 Jahren. Vor dem Kriegsausbruch hat die Branche schon mit einem weiteren Preisanstieg um vier Prozent für dieses Jahr gerechnet.
Es ist an der Politik, mit wegweisenden Entscheidungen hier größere Abhilfe zu schaffen. Doch bislang sieht es nicht danach aus. Statt das kommunale Planungsrecht tiefgreifend zu reformieren und mit einer Bauleitplanung für ganze Metropolregionen eine erheblich größere Dimension an Wohnungsbau möglich zu machen, flüchtet man sich in Symbolpolitik und betreibt dadurch im Grunde Bauverhinderungsmaßnahmen. Denken wir nur an die Parkstadt Schwabing: Hier wollte die Argenta-Unternehmensgruppe bis zu 800 Wohnungen bauen, darunter auch geförderte. Weil der Investor aber nach fast zehn Jahren immer noch kein Baurecht dafür hatte, gab er diese Pläne auf und baute die im Bebauungsplan eigentlich vorgesehenen Gewerbeeinheiten. Dort ist jetzt bekanntlich Amazon. Oder denken wir an die Neuregelung der Sozialgerechten Bodennutzung (SoBoN). Damit wurden Maßnahmen in Gang gesetzt, die für den privaten Wohnungsbau auf Dauer fatale Auswirkungen haben werden: Künftig müssen in großen Baugebieten 80 Prozent der neu gebauten Wohnungen Mietwohnungen sein, davon 20 Prozent frei finanziert. Die 60 Prozent der preisgedämpften Wohnungen haben nun eine erhöhte Bindungsdauer von 40 Jahren (statt wie bisher 25 Jahre). Nur noch 20 Prozent der gebauten Einheiten dürfen einzeln als Eigentumswohnungen verkauft werden. Zudem wird der Infrastrukturkostenbeitrag von 100 auf 175 Euro pro Quadratmeter Geschossfläche erhöht.
Solche Restriktionen werden das Wohnraumproblem in München für alle verschärfen, weil sich der in Deutschland durch eine Vielzahl an Regularien und Auflagen ohnehin schon kostenintensive Wohnungsbau dadurch nochmals deutlich verteuert. Gleichzeitig können die Kosten nicht mehr aufgefangen werden, da die Refinanzierungsmaßnahmen wegbrechen. Jüngst haben diese Entwicklungen schon dazu geführt, dass das Unternehmen ECE sein Vorhaben, bis zu 700 Wohnungen neben dem Olympia-Einkaufzentrum zu bauen, aufgrund fehlender Wirtschaftlichkeit zurückzog. Hier trifft eine ideologiegetriebene Politik auf die Wirklichkeit – und dabei verlieren leider alle Beteiligten.
Gibt es eine Blase in München?
All diese Entwicklungen und Entscheidungen führen dazu, dass die Immobilienpreise in München zukünftig weiter steigen – zwar nicht flächendeckend, aber in bestimmten Segmenten. Trotz aller Studien und Warnungen sehe ich jedoch keine Blasengefahr in München – auch wenn jüngst die Bundesbank wieder davor gewarnt hat. Den Begriff „Blase“ empfinde ich dabei immer sehr dramatisch: Er impliziert, dass es zwangsläufig zu einem Einbruch der Preise kommt. Doch es gibt einige Gründe, warum ich diese Gefahr nicht sehe:
Die Kaufmotivationen in München sind weder stark renditegetrieben noch spekulativ. Wer hier Eigentum erwirbt, möchte die Immobilie selbst nutzen oder sucht einfach nur eine sichere Altersvorsorge. Die Nachfrage ist echt.
Deutsche Kreditinstitute haben strenge Vergabestandards bei Baufinanzierungen. Anders als zum Beispiel in den USA – das war ja ein Auslöser für das Platzen der dortigen Immobilienblase und damit der Finanzkrise: die Vergabe von Ninja-Krediten (no income, no job, no asset) – genehmigen die Banken hierzulande Kredite nur, wenn diese auch getilgt werden können.
Zudem betonten die Bundesbanker sogar selbst, dass die Einschätzung der Wohnimmobilien-Preise derzeit mit besonders hoher Unsicherheit behaftet ist – vor allem aufgrund der stark gestiegenen Baupreise.
Deshalb möchte ich bei dem Thema „Blase“ gerne eine Entwarnung geben. Wohnimmobilien in München mögen als Kapitalanlage zwar durchaus anspruchsvoller geworden sein – sie sind aber wichtiger Bestandteil im Anlageportfolio. Das gilt besonders für Krisenzeiten.