Erhaltungssatzung in München
Das Thema Erhaltungssatzung spielt in München eine große Rolle. Es ist vor allem für all jene wichtig, die ein Mehrfamilienhaus in der bayerischen Landeshauptstadt besitzen und es verkaufen möchten. Für Investoren, die solch ein Objekt kaufen möchten, ist das Thema sogar elementar! Wir geben hier einen Überblick, was es mit der Erhaltungssatzung auf sich hat.
Was sind Erhaltungssatzungen?
Dieses Instrument gibt es in München seit 1987. Es wird eingesetzt, um preiswerten Wohnraum zu erhalten, gewachsene Bevölkerungsstrukturen zu bewahren und Verdrängung zu verhindern. Konkret bedeutet das einen massiven Eingriff in Eigentumsrechte, denn bestimmte bauliche Vorhaben sowie die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen sollen verhindert werden und sind deshalb genehmigungspflichtig.
In München gibt es derzeit 36 Erhaltungssatzungsgebiete. Die Mehrzahl der neu erlassenen Erhaltungssatzungen gilt unbefristet und wird alle fünf Jahre überprüft. Es gibt zudem befristete Satzungen, die rechtzeitig vor Ablauf erneut überprüft und ggfs. verlängert werden.
Die Stadt hat in allen Erhaltungssatzungsgebieten ein Vorkaufsrecht. Kaufinteressenten können dies jedoch aushebeln, wenn sie eine sogenannte Abwendungserklärung unterzeichnen und sich damit zu strengen Auflagen verpflichten.
Wie funktioniert die Abwendungserklärung?
Mittels einer Abwendungserklärung können kaufwillige Investoren verhindern, dass die Stadt ihr Vorkaufsrecht bei Mehrfamilienhäusern in den Erhaltungssatzungsgebieten beansprucht. Sie wenden den Kauf durch die Stadt sozusagen ab. Allerdings sind daran strenge Bedingungen geknüpft, die 2018 sogar nochmal verschärft wurden. So ist seitdem der Preis für spätere Neuvermietungen auf 11,50 Euro pro Quadratmeter gedeckelt. Neben dem bislang gültigen Verbot von Luxussanierungen sowie dem Verbot, Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umzuwandeln, gibt es seitdem die Bedingung, frei werdende Wohnungen nur noch an Mieter zu vermieten, deren Einkommen unter eine bestimmte Grenze fällt. Diesen förderberechtigten Mietern darf zudem nicht wegen Eigenbedarf gekündigt werden. Darüber hinaus ist ein Abriss der Immobilie verboten (Ausnahme: marode Bausubstanz).
Wie wirkt sich die Erhaltungssatzung aus?
Schon jetzt kommt das Vorkaufsrecht die Stadt teuer zu stehen: Zwischen Dezember 2018 und Dezember 2019 musste sie 363 Mio. Euro dafür aufwenden. Kritiker bemängeln, dass das hier investierte Kapital besser in den Neubau geflossen wäre. Kurz nach der Oberbürgermeisterwahl in München im Jahr 2020 warnte Stadtkämmerer Christoph Frey sogar, dass die Stadt aufgrund der Corona-Pandemie im Jahr 2020 mit etwa 700 Mio. Euro weniger auskommen müsse als geplant, und schlug vor, die Ausübung des Vorkaufsrechts auf Einzelfälle zu beschränken.
Die Zahl der Vorkaufsfälle in den Erhaltungssatzungsgebieten ist in den vergangenen Jahren deutlich nach oben gegangen und zeigt, dass sich Investoren zurückziehen und die Abwendungserklärung nicht mehr unterzeichnen.
Jahr | Ausgeübte Vorkaufsfälle | unterzeichnete Abwendungserklärungen |
---|---|---|
2016 | 1 | 24 |
2017 | 0 | 52 |
2018 (Verschärfung der Abwendungserklärung) | 8 | 32 |
2019 | 13 | 17 |
2020 | 20 | 11 |
2021 | 9 | 6 |
2022 | 2 | 0 |
2023 | 1 | 0 |
Neue Rechtslage stellt das Instrument in Frage
Im November 2021 hat das Bundesverwaltungsgericht das vielerorts übliche gemeindliche Vorkaufsrecht in Gebieten einer Erhaltungssatzung in Teilen gekippt. Die Begründung für den konkreten Berliner Fall zeigt eines der Kernprobleme dieser Praxis auf: Das Vorkaufsrecht sei ausgeschlossen, wenn das Grundstück entsprechend den Zielen oder Zwecken der städtebaulichen Maßnahmen bebaut sei und genutzt werde und ein auf ihm errichtetes Gebäude keine Mängel aufweise. Allein die Annahme, dass ein anderer Käufer die Mieter in der Zukunft mutmaßlich aus dem Gebiet verdrängen könnte, reiche nicht aus, das Vorkaufsrecht auszuüben.
Von diesem Urteil ist auch München betroffen: Künftig kann die Stadt nur noch in seltenen Fällen Immobilien dem Markt entziehen. Möglicherweise betrifft dies aber auch Vorkaufsrechte aus der Vergangenheit. Zudem könnten Investoren, die eine Abwendungserklärung unterzeichnet und das Vorkaufsrecht verhindert haben, prüfen lassen, ob die eingegangenen Verpflichtungen in ihrem konkreten Fall weiter Gültigkeit besitzen.
Oberbürgermeister Dieter Reiter hat vor Kurzem gemeinsam mit Hamburgs Erstem Bürgermeister Peter Tschentscher und Berlins Regierender Bürgermeisterin Franziska Giffey in einem Brief an die Bundesregierung eine schnelle Neuregelung des Gesetzes gefordert. Die Ampel-Parteien wollen dies prüfen.
Was bedeutet das für Mehrfamilienhausbesitzer in München?
Die neue Rechtslage ist eine gute Nachricht für Mehrfamilienhausbesitzer, die durch die ständige Ausweitung der Erhaltungssatzungsgebiete in den vergangenen Jahren zunehmend verunsichert wurden. Gleichwohl bleibt der Beratungsbedarf hoch – vor allem bei den Fragen, ob die eigene Immobilie betroffen ist. Bislang bedeutete die Lage in einem dieser Gebiete bereits eine Wertminderung. Mehrfamilienhausbesitzer sollten gerade nach dem neuen Urteil den aktuellen Status der Immobilien überprüfen und sich einen eventuell zu erwartenden Ertragswertverlust durchrechnen lassen. Je nach Ergebnis kann dann sogar eine Veräußerung sinnvoll sein, um einem drohenden Wertverlust zu entgehen.
Lesen Sie hier das Statement zum Thema Erhaltungssatzung von Geschäftsführer Thomas Aigner.